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Uploadfilter gefährdet Meinungsfreiheit und fördert Monopolisierung
Florian Scheuer : 16.05.18 00:00
Der Streit über ein neues EU-Urheberrecht dauert in Brüssel bereits seit Jahren an. Anfang März dieses Jahres stellte die EU-Kommission ihre sogenannten „Empfehlungen für wirksame Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten“ vor, also unter anderem mit urheberrechtlich geschützten Inhalten. Online-Plattformen und Cloud-Speicherdienste werden dazu aufgefordert, sobald wie möglich Maßnahmen umzusetzen, um die Sperrung von illegalen Inhalten auf den jeweiligen Plattformen zu ermöglichen. Gefordert wird unter anderem, die Entdeckung und Entfernung solcher Inhalte durch die Implementierung eines Upload-Filters zu automatisieren.
Die Tatsache, dass Hoster in Zukunft durch die Implementierung eines Filters dazu aufgefordert werden, alle gespeicherten Daten der Nutzer zu durchleuchten, stellt eine ernstzunehmende Bedrohung der Meinungsfreiheit dar. Der Upload-Filter wird durch seine automatisierte Überwachung zum Zensurmittel, der auch ein legales Zitieren von urheberrechtlich geschütztem Material verhindert. Bei vielen Inhalten, die gespeichert werden, lässt sich eine Urheberrechtsverletzung nicht auf den ersten Blick – und noch dazu nicht automatisiert – erkennen. Der Filter würde damit unweigerlich auch zum Entfernen rechtmäßig hochgeladener Inhalte (also dem sogenannten „Overblocking“) führen, da sich Betreiber angesichts des Haftungsrisikos absichern werden. Dies gefährdet massiv die freie Entfaltung, Kreativität und die Vielfalt des Internets für seine Nutzer und bedeutet somit auch eine Einschränkung der Kunst- und Satirefreiheit, denn gerade bei Satire gibt es Urheberrechtsschranken, die gesondert bewertet werden müssen. Im Detail betrachtet bedeutet dies möglicherweise, dass gewisse Teile eines eigentlich urheberrechtlich geschützten Inhalts im Rahmen eines Zitats oder einer ironischen Darstellung durchaus Teil einer eigenen Veröffentlichung sein dürfen. Auch bei Beiträgen, die für Lehre und Forschung verwendet werden, gelten Ausnahmen, die für einen Upload-Filter wohl schlichtweg nicht erkennbar wären. Absolut fraglich ist deshalb, wie sich dies automatisiert und zutreffend unterscheiden ließe.
Als Anbieter eines Filesharing-Dienstes wären auch wir gezwungen, einen Upload-Filter einzusetzen. Eine Maßnahme, deren Auswirkung völlig konträr zu unserem Verständnis von Demokratie steht. In unserer Philosophie hat die Wahrung der Datensouveränität unserer Nutzer oberste Priorität. Wird der Einsatz eines Upload-Filters Pflicht, müssten wir zudem diesen Filter zukaufen. Die Entwicklung eines eigenen wirksamen Filters für unterschiedliche Formate, wie Audio- und Video-Dateien, Text- bzw. Office-Dokumente sowie Bilder, ist selbst für uns als erfahrenes Softwareunternehmen in kurzer Zeit schlichtweg zu komplex, vor allem wenn es darum geht, das Haftungsrisiko einzudämmen, das im Falle einer äußerst aufwändigen Eigenentwicklung wieder auf uns zurückfiele. Kauft man den Filter zu, kommen in der aktuellen Marktsituation im Wesentlichen amerikanische Anbieter wie Facebook oder Google als Anbieter in Frage, da sie bereits heute entsprechende Systeme auf ihren eigenen Plattformen zum Einsatz bringen (z. B. „Content ID“ von Google). Wie bereits hinlänglich bekannt ist, unterliegen diese Unternehmen jedoch wiederum dem sogenannten Patriot Act, der entsprechende Folgen für die Nutzer von US-amerikanischen Cloud-Diensten in Bezug auf die Datensouveränität mit sich bringt. Damit bewegen wir uns in einem Teufelskreis, der uns definitiv in einen moralischen Konflikt bringt und im Zusammenhang mit der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung zudem große Fragen aufwirft.
Aber nicht nur das: Die Entscheidung fügt sämtlichen mittelständischen Unternehmen in Europa einen wirtschaftlichen Schaden zu und liefert zeitgleich amerikanischen Anbietern einen finanziellen Nutzen und einen Wettbewerbsvorteil – und unterstützt darüber hinaus eine Monopolisierung. Auch nichtkommerzielle, oftmals ehrenamtlich betriebene Projekte wie Online-Enzyklopädien stünden vor einer großen wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderung. Die Bundesregierung sprach sich zwar im Koalitionsvertrag gegen die verbindliche Einführung des Upload-Filters aus und bezeichnete die Maßnahme als unverhältnismäßig, andererseits unterstützt das federführende Bundesjustizministerium jedoch diesen Vorschlag entgegen den Empfehlungen der Netzpolitiker beider Regierungsparteien.
Was für eine Tragweite dieses Thema inzwischen besitzt, belegen auch die Reaktionen aus der breiten Zivilgesellschaft. So haben sich vor einigen Wochen Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Aktivisten mit einem offenen Brief gegen die europäische Reform des Urheberrechts und im Speziellen gegen den vorgeschlagenen Upload-Filter ausgesprochen. Dieser adressiert u. a. an den EU-Abgeordneten und Berichterstatter Axel Voss (CDU), der entscheidend an der EU-Urheberrechtslinie beteiligt war. Das Schreiben wurde unter anderem vom Digitalverband Bitkom und dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. unterzeichnet. Weitere Adressaten des Briefes sind auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU).
Eine Entscheidung über die Durchsetzung des Vorstoßes seitens der EU-Kommission steht bis heute aus. Im Interesse der Demokratie und Meinungsfreiheit sowie im Hinblick auf eine zu befürchtende Schwächung des Mittelstandes muss die Durchsetzung des Upload-Filters unbedingt verhindert werden.
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